Die Gnade der zweiten Geburt, Teil 3 – oder seid dankbar für Frustration!

In einer Zeit, in der der Sinn des Lebens darin zu bestehen scheint, immer glücklich und im Reinen mit sich selbst zu sein, blenden wir sie gerne aus oder umschiffen sie möglichst, die Frustration. Wenn es darauf ankommt, das eigene Dasein möglichst gut aussehen zu lassen, vor allem auf dem Foto, dann hat sie eben so gar keinen Platz, die ungeliebte und bedrohliche Frustration.

Ohne sie geht es aber leider nicht, es kann keine Tiefe entstehen, keine Weiterentwicklung und eben auch keine Selbstakzeptanz.

Daher ist es eigentlich nicht weiter überraschend, dass der bahnbrechendste Paradigmenwechsel im Laufe der Kindergartenzeit meiner Söhne für mich folgender war:

Frustration ist gesund und nötig.

Ich hätte niemals gedacht, dass ich das jemals glaubhaft versichern würde, aber ich finde es inzwischen total wichtig, dass Kinder nicht ständig vor dem Leben beschützt und in Watte gepackt werden, sondern dass sie mit Misserfolgen selbst zurechtkommen müssen.

Nichts rüstet einen für das weitere Leben besser, nichts macht die Psyche stabiler, als eine Bauchlandung von Zeit zu Zeit. Natürlich soll das Leben nicht nur frustrierend sein, und man sollte genug Gelegenheiten haben, auch wieder aufzustehen, aber wenig stärkt so, wie die Gabe, einen Rückschlag überwinden zu können. Meine Söhne erlernen damit nicht nur Techniken, sich wieder aufzurappeln, sondern erlangen auch die Gewissheit, dass sie es schaffen können, dass sie die Fähigkeiten dazu haben. Zum anderen erkennen sie aber auch, dass Scheitern per se nichts Schlimmes ist, sondern dass es darauf ankommt, wie man damit umgeht, nämlich möglichst unaufgeregt und konstruktiv. Das verinnerlicht man aber erst im Laufe der Zeit, das habe ich, die ich eher perfektionistischer Fehlervermeider war, erst in jahrelanger Schwerstarbeit erlernt.

Ich habe mir und meinem Großen zu Beginn wenige Gelegenheiten zum Üben gegeben. Bei seinen vermeintlichen Negativerlebnissen, wie z.B. beim Spielen ausgeschlossen zu werden, etwas nicht auf Anhieb zu können, nicht zum Geburtstag eingeladen zu werden, vielleicht auch in irgendetwas gar nicht gut zu sein, habe ich mehr gelitten als er. Ich habe schlecht geschlafen, mir den Kopf zermartert, wie ich ihm helfen kann, wie und ob ich sinnvollerweise interveniere.

Glücklicherweise hatte ich in dieser, meiner gestörten Erstelternphase mit meinem Mann einen verlässlichen Partner an der Seite, der das alles wieder in die richtige Relation rücken konnte oder es zumindest versuchte. Und heute kann ich nicht ohne Stolz sagen, dass ich es ganz alleine relativieren kann. Bei meinem zweiten Söhnchen geht es sowieso leichter, schon wegen der Erfahrung mit dem ersten. Viele Situationen habe ich eben einfach schon erlebt und üben können. Ich weiß, dass sie keinen Weltuntergang für das kleine Herz darstellen, sondern zum Leben dazu gehören.

Doch auch beim Großen bin ich viel entspannter. Er darf seine Fehler mittlerweile selbst machen und seine Herausforderungen allein bestehen. Ich traue ihm zu, mit seinen Problemen fertig zu werden, auch deshalb, weil er es schon diverse Male getan hat. Natürlich bin ich für ihn da und biete Unterstützung an, wenn er das möchte, aber oft will er das nicht, und vieles werde ich wahrscheinlich gar nicht erst erfahren, was auch völlig okay ist.

Ich bin auch darum viel gelassener, weil wir uns mittlerweile gut kennen. Ich weiß, wo seine Stärken und Schwächen liegen, wie er mit sich und dem Leben umgeht. Ich habe erkannt, und akzeptiere, dass er in einigen Dingen so ganz anders ist als ich, und das kann ich so lassen. Auch wenn es meine Geduld in manchen Situationen arg strapaziert, so bin ich doch vor allem heilfroh und dankbar, dass Perfektionismus wohl nie sein Problem sein wird, dass er eine gesunde Einschätzung hat, wer er ist und was er kann, und was er eben einfach auch gar nicht kann, können will oder muss. Ich bin sicher, er wird seinen Weg machen, eben seinen und nicht meinen. Ich kann ihm nur anbieten, sich etwas von mir abzuschauen, aber vielleicht hat er manchmal den besseren Blick.

Er kennt mich mittlerweile nämlich auch ziemlich gut. Und das bringt mich zur dritten Erkenntnis, die ich näher mit Euch teilen möchte, nämlich,, dass niemand Dich so sehr (heraus)fordert, wie Deine eigenen Kinder…

Fortsetzung folgt …

 

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