Ich mag das Jahresende – trotz der Tatsache, dass die Tage immer kürzer und dunkler werden, trotz des Jahresendwahnsinns, der sich aller unvermeidlich bemächtigt.

Sei es beruflich, wo sich jedes Jahr wieder die Überzeugung breit macht, dass es kein nächstes gibt, und ich mich, obwohl ich es mir im November anders vornehme, doch alle Jahre wieder mitreißen lasse, bis ich dann an meinem letzten Arbeitstag völlig erschöpft und fertig mit der Welt viel zu spät meinen Arbeitslaptop schließe.

Sei es schulisch, wo eine Klassenarbeit die nächste jagt, auf die vorbereitet werden soll, damit alles im Dezember noch abgeschlossen werden kann, was in diesem besonderen Jahr umso wichtiger erscheint.

Sei es privat, wo mich jedes Jahr wieder mein eigener Weihnachtsanspruch unter Druck setzt und mir jegliche Besinnlichkeit raubt.

Ich mag das Jahresende, weil ich per se gerne Revue passieren lasse. Ein Rückblick per anno ist das Mindeste für mich, damit ich auch weiß, wo ich in Zukunft stehe.

Auf was soll ich dieses Jahr zurückblicken? Auf das Offensichtliche, dass Corona uns fest im Griff hatte und hat, dass unser Alltag sich in einer Weise verändert hat, die wir uns nie hätten träumen lassen? Unsere Wirtschaft und Ökonomie ist auf den Kopf gestellt. Es gibt keine Sicherheiten mehr, nur neue Realitäten. Dass unsere Kinder in einer völlig neuen Welt zurechtkommen müssen mit Abstand und Masken, in der jeder Kontakt eine potentielle Bedrohung darstellt, beunruhigt mich. Was macht das mit einem Menschenbild?

Vielleicht sollte ich statt zurück, den Blick einmal nach innen richten. Dann wird mir klar, dass ich  trotz meines Hanges zum Sarkasmus, trotz aller Ironievorliebe, ein unverbesserlicher Optimist und Philanthrop bin und bleiben will. Ich will meinen Kindern die Überzeugung mitgeben, und leben, dass es immer irgendwie weiter geht, dass es nach jedem Tal zwangsläufig wieder aufwärts geht, weil die Talsohle irgendwann erreicht ist, dass man Vertrauen haben muss – in andere und die Welt.

Ich will in allem einen tieferen Sinn sehen und frage mich, ob wir uns zu lange darauf verlassen haben, dass es immer nur noch weiter nach oben gehen kann. Ob wir unsere Umwelt weiterhin unbegrenzt mit Füßen treten können, den Profit zum Gott erheben, oder ob jetzt nicht endlich einmal ein Paradigmenwechsel angesagt ist, und wir diese Situation als Chance nutzen können.

Wenn ich zur Ruhe komme, weiß ich genau, was wirklich wichtig ist. Wenn ich zur Ruhe komme, habe ich keine Angst. Ich übe mich in Dankbarkeit, dass wir uns haben, meinen Mann, meine Söhne, meine Familie, meine Freunde, dass wir aufeinander zählen können, auch wenn wir uns nicht immer sehen können. Und der Rest wird sich schon finden. Es geht immer weiter!

Und so sehe ich gelassen und positiv ins Jahr 2021. Ich sorge mich nicht über Dinge, die ich nicht ändern kann, nehme hin und reagiere darauf mit Hilfe meines (bayerischen) Sturschädels und meiner naturgegebenen Stoa.

Eure VME