Ein Kollege von mir wurde vor ein paar Wochen zum ersten Mal Vater. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie es für uns nach der Geburt unseres ersten Sohnes war. Nichts ist ein so ein einschneidendes Ereignis wie die Geburt des ersten Kindes. Von einem Tag auf den anderen ändert sich das gesamte Leben, so wie wir es kannten. Man kann sich nicht darauf vorbereiten – alle Erfahrungsberichte, Lektüren und guten Ratschläge helfen nur bedingt, gewappnet zu sein, für diesen neuen Lebensabschnitt, der anders als Ehen, Freundschaften oder Arbeitsbeziehungen niemals endet.
Ich weiß noch wie heute, wie ich an jenem Freitagmorgen, nachdem wir aus dem Krankenhaus nach Hause entlassen worden waren, aufgewacht bin und überwältigt war von dieser wahnsinnig großen Verantwortung. Es erschien mir schier unmöglich, dieses kleine Wesen behütet und bestärkt durch alle Zeiten zu bringen, weil ich doch selbst so unvollkommen war. Beschönigen wir es nicht – ich hatte Panik, und selbst wenn ich gewollt hätte, gab es keinen Ausweg.
Glücklicherweise haben mich die „einfachen“ neuen Aufgaben, wie füttern, wickeln, schmusen, schlafen und zu erspüren, was davon mein Kind gerade braucht – kurz Urbedürfnisse erfüllen, so sehr in Anspruch genommen, dass ich nie wieder richtig Zeit hatte, mich über die große, übergeordnete Verantwortung zu sorgen. Und glücklicherweise haben Kinder Geduld mit uns, und wir sind nur gehalten, einen Tag nach dem anderen zu nehmen.
Doch manchmal, wenn eines meiner Kinder Geburtstag feiert, und es den Abend zuvor endlich still wird, kommt das Gefühl zurück. Dann ziehe ich Bilanz, habe Respekt vor der nächsten Einschulung, der Pubertät, überprüfe mich, zweifle an mir und fühle mich bestärkt, dass ich bis hierhin mein Bestes gegeben habe. Es kann mir niemand sagen, ob ich alles richtig gemacht habe. Es hätte bestimmt vieles besser laufen können, und ich habe gewiss auch einen Haufen Fehler gemacht.
In jedem Fall habe ich die Verantwortung angenommen, und meine Kinder auf dem Weg hierher bisher nicht verloren. Elternsein ist nichts für Feiglinge, die Quittung gibt es erst ganz zum Schluss, und wer weiß, ob ich sie noch miterlebe. Aber auch das nehme ich an und tue weiter das, von dem ich denke, dass es richtig ist. Auch wenn das bedeutet, zurückzutreten, sie stückweise loszulassen und manchmal auch nur dabei zusehen zu können, welche Entscheidungen sie treffen. Ich kann mich ihnen nur anbieten mit all meinen Fehlern und Unzulänglichkeiten, mit meinen Ratschlägen, die keiner hören will, ohne Groll zur Seite zu stehen, eben nicht weil ich Recht haben will, sondern weil ich will, dass sie es schaffen, in ein glückliches, angenommenes, verantwortungsbewusstes Leben. Und manchmal muss ich dafür auch einfach schweigen und aushalten. Ich denke, dass macht gute Eltern aus. Ich arbeite daran – einen Tag nach dem anderen.