Es gibt sie von Zeit zu Zeit diese Zeiten, in denen mir alles zu viel wird.

Meist merke ich es erst dann, wenn ich regelmäßig schon beim vorabendlichen Dinotruxschauen neben meinem begeisterten Kleinen auf dem Sofa einschlafe, während später zu meiner gewöhnlichen Schlafenszeit das Gedankenkarussell kreiselt.

Ich merke es daran, dass meine persönliche Zündschnur bedenklich kurz wird, was sich in plötzlichen und ungewohnt heftigen, über den Rest der Familie hereinbrechenden Gereiztheiten äußert, die meist mit lauten Unmutbekundungen in hoher Tonlage einhergehen.

Normalerweise klopft zudem das Unzufriedenheitsmännchen meiner Freundin Manu dann auch lautstark an meine Tür und in meinem Kopf, was dazu führen kann, dass ich meinen gesamten Lebensentwurf irrational in Frage stelle.

Unglücklicherweise treten solche Phasen leider häufig reziprok auf, was bedeutet, dass es zu diesen Unzeiten nicht nur mir, sondern auch meinem privaten und beruflichen Umfeld ähnlich ergeht, so dass es fast unmöglich wird, dass irgendjemand, irgendwem etwas recht macht, was die Situation noch verschärft.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es in diesen Zeiten besonders wichtig ist, mich auf meine Oasen zu besinnen und diese regelmäßig aufzusuchen, damit ich wieder ein bisschen mehr in meine Mitte komme – auch wenn ich dafür eigentlich gar keine Zeit habe. Das ist gar nicht so leicht, wenn man schon mitten im Stress feststeckt.

Meine erste Herausforderung war es zunächst, überhaupt herauszufinden, was meine Oasen sind, d.h. Dinge, die mir gut tun, die mir Freude machen, die mich runterbringen, die mir helfen. Das kann für den Einzelnen sehr unterschiedlich sein, und oft hat man beim alltäglichen Funktionieren das Gefühl dafür verloren, was man gerne tut.

Mir hilft es zum Beispiel zu laufen, um nicht zu sagen, zu rennen. Die Mischung aus körperlichem An-die-Grenzen-gehen, schwitzen, Bewegung, Den-Kopf-frei-bekommen, frischer Luft und jedenfalls ein wenig natürlicher Lichteinstrahlung tut mir so gut, dass ich dieser Fortbewegungsart einen eigenen Beitrag gewidmet habe. Man muss sich nur aufraffen, was umso leichter fällt, je häufiger man es tut.

Ein verlässlicher Dauerbrenner für mein leibliches und seelisches Wohl ist außerdem ein halber Tag in der Therme. Ich liege dabei gerne in der heißesten Sauna, oftmals auf der obersten Bank und mache einen Gang nach dem anderen, unterbrochen von mindestens genauso langen Ruhepausen, in denen ich das wohlige Gefühl genieße, von außen und innen total erwärmt worden zu sein. Es dauert je nach Stresslevel zwar ein paar Durchgänge, bis ich annähernd abschalten kann, aber bisher bin ich noch immer entspannter aus der Saunenlandschaft herausgekommen als hinein. Wenn ich sehr gut zu mir sein will und kann, gönne ich mir noch eine Massage. Dann versuche ich, locker zu lassen, und mich einmal ganz auf jemand anderen zu verlassen, der sich um mich kümmert.

In corpore sano habe ich damit schon viel für mich erreicht. Den geistigen Kick, ein regelrechtes Flowerlebnis beschert mir oft ein Besuch im Museum. Insbesondere expressionistische Gemälde lassen mich heim zu mir kommen. Als wir noch in München wohnten, war ich im tristen Herbst unzählige Sonntage in der Neuen Pinakothek und bin danach immer besser gelaunt, manchmal regelrecht erfrischt nach Hause gekommen. Das hat bei mir sicher auch mit Biografie zu tun, vielleicht ist mein Gehirn auch so gestrickt, dass es sich hier am besten „ausruhen“ kann – gesunde Impulse sozusagen. Im Grunde ist die Erklärung egal, solange es funktioniert!

Ein Perspektivenwechsel ist auch recht heilsam für mich. Dafür vergrabe ich mich gerne in Biografien von bekannten Persönlichkeiten, die ich interessant finde. Wenn es mir gelingt, mich davon freizumachen, deren Schicksale auf meine Lebenssituation beziehen und hauptsächlich Gemeinsamkeiten finden zu wollen, kann ich meine eigene Einbahnstraße ganz gut verlassen, was vieles relativiert. Noch besser gelingt es übrigens, wenn ich Biografien lese, auf die ich zufällig ohne große Bewunderung für die beschriebene Person oder das beschriebene Leben gestoßen bin. Das mag daran liegen, dass ich meinen eigenen Kosmos in diesen Fällen eben nicht durch die Hintertür mit hineinbringen kann. Überhaupt sind Bücher und Bibliotheksstöberei meine kleinen Helfer.

Eine meiner größten Kraftquellen ist und bleibt, Zeit mit Menschen zu verbringen, die ich mag, und die mir wohlgesonnen sind, gerne auch mit solchen dieser Spezies, die ich seit Ewigkeiten nicht gesehen oder gesprochen habe. Im Anknüpfen sind wir gut. Die Kunst ist, dass ich mich auch in hektischen Phasen darauf einlasse, sowohl auf die Personen als auch auf den Moment. Da ist ein wenig Lockerlassen gefragt und nicht zielgerichtete Zeitinvestition.

Das braucht es im Übrigen für alle Oasen – und da liegt auch schon die Krux, wenn man das Gefühl hat, eh keine Minute erübrigen und niemals alles schaffen zu können.

Andererseits, wenn man es sowieso nicht schaffen kann, spricht auch nichts dagegen, ab und an in einer Oase zu verweilen, um sich zu stärken, damit man am Ende nicht selbst total geschafft und ausgedörrt ist.

In diesem Sinne, suchet und findet Oasen!

Was sind Eure Oasen?

Wobei entspannt Ihr?

Was macht Euch Freude?

Eure VME

PS: https://www.pinakothek.de/sammlung/rundgang-neue-pinakothek