Neulich war es ´mal wieder so weit. Mein Großer klagte morgens ca. 20 Minuten, bevor er sich mit seinem Schulweggefährten treffen sollte, über Bauchschmerzen, und hielt sich dann überwiegend im Badezimmer auf.
Der Papa war schon aus dem Haus und wahrscheinlich bereits an seinem Arbeitsplatz angekommen, während ich fertig fürs Büro und mit einer Endlosaufgabenliste im Kopf, statt planmäßigen Aufbruchs zu Lauftreffpunkt und Kita und anschließender Sbahnfahrt zur Arbeit, damit ich es bis 9 Uhr ins erste Meeting schaffte, gezwungen war, die mentale Kehrtwende hinzulegen. Das Los des bringenden Elternteils …
Also erst einmal sowohl den Sohn bei Laufpartner, Schule und GBS als auch mich selbst bei Chefin und Team entschuldigt, Stiefeletten gegen robuste Treter getauscht, und den Kleinen in die Kita verbracht. Wieder zurück macht sich bei mir ein ungutes Bauchgefühl breit – nein ich habe mich noch nicht angesteckt – nur die Aussicht, den heutigen Tag als Arbeitstag verloren zu haben, erfüllt mich mit aufkeimender Panik. Umso mehr, als dies bei meiner bestehenden Dreitagewoche immerhin ein Drittel meiner Wochenarbeitszeit ausmacht.
So entschließe ich mich, von der für Ausnahmefälle geschaffenen Möglichkeit Gebrauch zu machen, von zu Hause aus zu arbeiten.
Mit der Technik klappt es diesmal hervorragend, nur, dass ich mir jedes Dokument, das ich speichern will, zunächst als Email an mich schicken muss, ist etwas mühsam. Der Große sitzt derweil mit seinem Pad warm eingepackt auf dem Sofa und fragt mich nur von Zeit zu Zeit Dinge wie, welchen Batmanbösewicht ich am besten fände – es ist natürlich der Joker. Das Abstimmungstelefonat mit meiner Kollegin läuft weitgehend ungestört, nur einmal muss ich die Höchstlaufzeit des Pads wieder weiterstellen, damit es sich nicht nach einer halben Stunde automatisch sperrt.
Gegen die Mittagszeit unterbreche ich und mache uns Nudeln, für meinen Ältesten auf Wunsch ohne alles, ist ja auch magenfreundlicher. Nach dem Essen ist die ohnehin schon dramatisch erhöhte Tagespadzeit bei aller Liebe aufgebraucht, und für mich kein unterbrechungsfreies Arbeiten mehr möglich. Daher komme ich auf die glorreiche Idee, dass mein lieber Sohn sich zusätzliche Medienzeit mit der Bearbeitung eines „Lies mal Heftes“ oder der Fertigstellung weiterer Seiten in seinem Schreibschriftübungsbuch „verdienen“ könnte. Ich weiß, man kann über die pädagogische Wertigkeit solcher Belohnungssysteme streiten, aber es handelte sich schließlich um eine Notsituation.
Mein Zögling willigt tatsächlich ein, doch der Einfall mit dem „Lies mal Heft“ erweist sich schnell als kontraproduktiv, da nach jedem bearbeiteten Satz die mütterliche Bestätigung erwartet wird, dass das so passt. Hiervon lässt er sich auch mit besten Argumenten nicht abbringen, also schwenken wir auf das Schreibschriftheft um. Allerdings besteht mein Sohn darauf, dass er das viel besser und auch mit mehr Schwung bewältigen kann, wenn er dabei in ohrenbetäubender Lautstärke und immer und immer wieder „21, 22, 23“ von AnnenMayKantereit hören kann. Also räumen wir den wie immer als Ablagefläche missbrauchten Schreibtisch frei, schließen die Zimmertür, und los geht´s!
Ich komme gut voran, das durch die Kinderzimmertür gedämpfte Wummern von Schlagzeug und Bässen oben genannten Liedes begleitet vom lauten Mitgrölen meines Erstgeborenen stört mich nur ganz am Rande. Als er nach einer Dreiviertelstunde seine Tätigkeit vom Schreibschriftheft wieder auf das Padschauen bzw. –spielen verlagert, ist es sogar vergleichsweise ruhig. Für uns beide herrschen paradiesische Bedingungen – ich kann arbeiten, er kann in einem nie geahnten Umfang den Akku einem Härtetest unterziehen. Zu meiner Verteidigung kann ich nur anführen, dass das Pad altersgemäßen Beschränkungen unterliegt.
Als nachmittags der Papa mit dem kleinen Bruder aus der Kita eintrifft, ist es allerdings vorbei mit der Ruhe. Mit der Entschuldigung heute noch dringend zwei Balance Sheet Berechnungen fertigstellen zu müssen, verkrümmele ich mich mit Laptop und Kaffee ausgerüstet an meinen Schreibtisch und überlasse beide Jungs, und das damit verbundene Chaos dem Vater. Natürlich will zu Beginn trotzdem ständig jemand etwas von mir. Schließlich machen sich die Männer des Hauses auf in den nahegelegenen Wald, um Energie loszuwerden, und auch um mir daheim noch ein wenig Arbeitsatmosphäre zu gewährleisten – an dieser Stelle noch einmal einen großen Dank an meinen Mann!
Als sie am späten Nachmittag wieder zu Hause einkehren, habe ich wirklich einiges abschließen können, nur noch leises Bauchgrummen angesichts der To-do-Liste des morgigen Arbeitstages, leichte Besorgnis angesichts der viereckigen Augen meines Großen und ein nicht nur unterschwellig schlechtes Gewissen angesichts des heutigen Medienkonsums.
Insgesamt fühle ich mich aber viel geschaffter als nach einem Büroarbeitstag. Naja, morgen bleibt der Papa mit unserem kranken Kind daheim. Ich kann nur hoffen, dass der Kleine nicht angesteckt wird. Mit ihm wäre das Arbeiten von zu Hause utopisch – er hat noch gar kein Pad;-).
Was macht Ihr, wenn Euer Kind krank zu Hause ist?
Wer bleibt zu Hause?
Habt Ihr ein schlechtes Gewissen?
Warum und wem gegenüber?
Eure VME