Als ich klein war, wollte ich nie ein Junge sein. Ich fand es überhaupt nicht erstrebenswert, zu haben, was die haben, weder körperlich noch emotional.
In meiner Gymnasialzeit habe ich mich ideologisch zur glühenden Fürsprecherin aller ungerecht Behandelten und Unterdrückten gemausert, seien es Arme, Schwarze, Juden, Kranke oder eben auch Frauen, um nur einige zu nennen. Mein Feindbild war der arrogante, weiße, alte Patriarch.
Trotzdem habe ich wie selbstverständlich an das Mantra aller jungen Frauen meiner Generation geglaubt. Familie, Beruf, Selbstverwirklichung – alles geht zur gleichen Zeit im gleichen Leben – spielend einfach. Und wenn Du das nicht hinkriegst, dann machst Du was falsch.
Das war mein Lebensideal, das habe ich quasi ohne Muttermilch – denn als ich Kind war, gab es noch keinen Glaubenskrieg um das Stillen – aufgesogen. Und nun, zwei Dekaden später, komme ich zu dem Schluss, dass Alice Schwarzer oder das, wofür sie für mich steht, mich verarscht hat.
„Man kann nicht alles haben.“ Das hat meine Oma früher oft zu mir gesagt, und ich habe immer erwidert oder zumindest gedacht „Doch, das kann ich!“
Heute weiß ich, dass es nicht so ist.
Es ist für mich mittlerweile völlig utopisch, mich beruflich voll auszuleben, den nächsten Schritt zu machen, Führungsverantwortung zu übernehmen, und gleichzeitig für meine Kinder so da zu sein, wie ich es mir wünsche. Wo ich selbst und meine Bedürfnisse dabei bleiben sollen, sei einmal dahin gestellt, ganz zu schweigen von meiner Zweierbeziehung… .
Kinder sagen mir nicht, was sie bewegt, immer akkurat dann, wenn ich gerade „Quality time“ mit ihnen verbringen kann. Meine Kinder lerne ich nebenbei im Alltag kennen, dann, wenn die gerade Lust und Muße haben, sich zu öffnen. Ihre Freunde lerne ich kennen, wenn sie spontan nach der Schule oder Kita mit uns nach Hause kommen. Mütter haben eben auch eher vormittags oder nachmittags Zeit, sich auszutauschen und zu beschnuppern. Man verpasst so viel, wenn sich die Präsenz auf die einer „Gutwetter-mama“ beschränkt.
Das habe ich auch getestet, hab gar nicht gewusst, was ich alles versäume, bis ich in die zweite Elternzeit gegangen bin und Zeit hatte, auch für meinen Größeren.
Und keiner kann im Ernst glauben, dass es ohne Kinder- und Putzfrauen und einen Partner daheim, der viel auffängt, möglich ist, sich beruflich zu verwirklichen, ohne Kitaabholzeiten im Hinterkopf haben zu müssen und ständig zerrissen zu sein zwischen zwei Pflichten, die doch eigentlich Freuden sein sollten.
Ich will hier kein Missverständnis entstehen lassen – ich bereue nichts! Mir ist es irgendwann nur wie Schuppen von den Augen gefallen, dass alles zugleich nicht geht, und dass ich es als zutiefst ungerecht für mich, meine Generation und kommende Generationen empfinde, dass gesellschaftlich suggeriert wird, alles geht, und vor allem – Du musst alles schaffen!
Es hätte mir geholfen, wenn gut ausgebildete, schlaue Mütter mir zugerufen hätten, überprüfe Deine Erwartungen! Alles geht nicht, und das ist auch okay! Das will ich heute stellvertretend tun! Ich denke, es ist ein anderer Kampf, der hier ausgefochten werden sollte, aber das muss einen anderen Beitrag füllen.
Ich schätze Alice Schwarzer. Sie hat viel für uns Frauen getan. Das sollten wir nicht vergessen! Es waren andere Zeiten mit anderen Herausforderungen und anderen Zwängen. Aber bitte, knechtet Euch nicht selbst! Findet Euch aber auch nicht ab, wenn es für Euch nicht passt.
Man kann nicht alles haben, aber vielleicht muss man das auch gar nicht. Fordert, was Ihr braucht, was Ihr haben wollt, aber bleibt realistisch und vor allem kräfteschonend.
Eure VME
Wie bringt Ihr Familie und Job unter einen Hut?
Wie groß ist der Hut?
Was wünscht Ihr Euch?