Ich mache meinen Job gut.
Ich bin kompetent, professionell, habe in meinem Spezialgebiet, das unheimlich breit gefächert ist, und dabei echt tief in die Tiefe geht, ziemlich viel gesehen und erlebt, anfangs auf externer Beraterseite und seit gut 10 Jahren im Personal bei und für verschiedene Firmen. Ich weiß die verschiedenen Charaktere meiner Kunden und neudeutsch meiner „Stakeholder“ zu nehmen, und fühle mich und meine Arbeit – mal ganz abgesehen vom Frust und ganz normalen Wahnsinn, die jeden Berufstätigen von Zeit zu Zeit einholen, – geschätzt. Das gibt mir ein gutes Gefühl.
Und ich war auch wirklich zufrieden und glücklich, dass ich nach meiner zweiten Elternzeit in mein altes Fachgebiet wiedereinsteigen konnte in Teilzeit und mit zwei Kindern.
Ich war es uneingeschränkt bis zu dem Moment, in dem einer meiner Lieblingskollegen aus Argentinien mir eher im Spaß bei einem geselligen Beisammensein den Satz zuwarf „ Wir sind froh, dass Du wieder da bist, aber Du musst raus aus Deiner Komfortzone!“. Ich habe sofort gekontert, dass ich das Leben als just wieder eingestiegene berufstätige Mama von zwei Jungs, bei denen einer langsam aber sicher im Trotzalter angekommen ist, und der andere gerade sein erstes Schuljahr meistert, nicht gerade als Komfortzone bezeichnen würde.
Dennoch hat diese Bemerkung irgendeine Saite in mir zum Schwingen gebracht. Ich habe in der Folgezeit jedenfalls immer wieder darüber nachdenken müssen. Irgendwie hat es an mir genagt, und ich habe mich gefragt, warum muss eigentlich jeder unbedingt seine Komfortzone verlassen? Wozu eigentlich?
In neuerer Zeit wird oft suggeriert, dass das Verlassen der Komfortzone schon ein Wert an sich und die richtige Entscheidung ist. Auch ich bin in diese Falle getappt. Es wäre schon großartig zu sagen, ich mache jetzt noch einmal etwas komplett Neues, begebe mich auf ungewisses Terrain, wachse über mich hinaus, und kriege ganz nebenbei noch mein Familienleben in Einklang damit, natürlich ohne, dass irgendjemand auf irgendetwas verzichten muss – außer mir selbst vielleicht, aber ich habe ja meine Komfortzone verlassen, und das ist doch schon Belohnung genug, oder?
Dann habe ich mich gefragt „Warum wäre das denn so großartig?“ Bis zu der besagten Bemerkung war ich zufrieden, mit dem, wie es gerade ist. Ich bin beruflich in Teilzeit zurückgekommen in einen Bereich, den ich wirklich gut kann. Ich kenne die Firma, ich kenne die Leute, ich mag mein Team. Zudem befinde ich mich noch in der komfortablen Situation, diese anspruchsvolle Tätigkeit, die mir zudem auch immer noch Spaß macht, in Teilzeit ausüben zu dürfen, und Zeit für meine Kinder zu haben, häufig auch für meinen Mann, und wenn´s ganz gut läuft, sogar für mich.
Das tut mir gut. Ich hatte die Entscheidung nicht bereut oder hinterfragt. Trotzdem konnte eine kleine Bemerkung das ins Wanken bringen. Und ich denke mittlerweile, das liegt daran, dass ich mich von außen habe verunsichern lassen – von gesellschaftlichen Ansprüchen, dem unrealistischen Bild von Perfektion, vom Wert einer jeden Veränderung an sich, zunächst einmal jede Konsequenz außer Acht lassend. Es ist eben nicht cool, nicht alles zu wollen, nicht alles zu optimieren, sich ganz gut eingerichtet zu haben und dann auch noch zufrieden damit zu sein. Diese Ansprüche habe ich so sehr verinnerlicht, dass ich mich erst in zweiter Linie gefragt habe:
Was will ich eigentlich?
Bin ich überhaupt unglücklich mit meiner Situation?
Wenn ja, warum? Weil ich Anforderungen von außen nicht erfülle?
Was tut mir gut?
Es ist okay, auch einmal innezuhalten, auch einmal still zu stehen oder sich eben gerade auf andere Bereiche seines Lebens zu konzentrieren. Man ist nicht schlechter, weil man sich gerade nicht über die Maßen anstrengen muss, um aus seiner Komfortzone zu kommen.
Ich habe für mich beschlossen, ich bleibe da beruflich jetzt erst einmal, weil es gerade so für mich passt. Und jetzt habe ich auch wieder ein gutes Gefühl!
Was meint Ihr? Was sind Eure Erfahrungen?
Eure VME