Kennt Ihr diese Tage, an denen man einen furchtbar vollen Vormittag hat, schon morgens zu Hause in schwindelerregende Blutdruckhöhen hudelt, um rechtzeitig zu sein, und dann plötzlich sämtliche Termine wegfallen?
Mir ging es heute so: Es ist der erste Schultag nach den Ferien, der erste Kitatag nach unserem Urlaub. Mein Mann muss vor sechs aus dem Haus, also ist das Morgenfamilienprogramm heute allein an mir. Schnell geduscht, Frühstück gemacht, Jungs geweckt – die stehen natürlich heute nicht pünktlich auf, obwohl sie im Urlaub immer vor 6.30 Uhr äußerst fidel herumgesprungen sind und auch uns, meinen Mann und mich, mit ihren liebreizenden Stimmchen aus unseren Träumen aufgeschreckt haben.
Wir müssen aber gerade heute pünktlich aus dem Haus, weil ich zum Einen um 8 Uhr in der Kita das Entwicklungsgespräch für meinen Jüngsten habe – ja richtig, auch knapp Zweijährige haben Lernentwicklungsgespräche. Dazu sage ich gerne an anderer Stelle mehr … zum Anderen soll der Große rechtzeitig mit seiner Laufgruppe los, damit er erstens nicht gleich am ersten Schultag nach den Ferien zu spät kommt und zweitens verräumt ist, damit ich es in jedem Fall rechtzeitig in die Kita schaffe.
Natürlich kommt es trotz vorbereiteten Schulbroten, bereits gepacktem Schulrucksack und frühzeitig herausgelegten Klamotten, anders. Nachdem wir just in time sogar noch das Zähneputzen geschafft haben, will der Große unbedingt seine neue Jacke anziehen, die wir auf Anhieb nicht finden, weil sie nicht am Haken, sondern bereits im Schrank mit den eingemotteten Winterjacken liegt. Glücklicherweise finden wir sie ca. 5 Minuten später, um nicht zu sagen zu spät. Mittlerweile hat der Kleine ein zweites großes Geschäft verrichtet, was der große Bruder empört mit den Worten „der stinkt!“ kommentiert. Da der Große sich standhaft weigert, allein zum Lauftreffpunkt vor dem Haus zu marschieren, klemme ich mir den Kleinen mit so wenig Gesäßkontakt wie möglich, unter den Arm, und verbringe so auch den Großen sicher und wohlbehütet an den 5-Meter-Luftlinie-entfernten Lauftreffpunkt, wo er völlig entspannt mit seinen schon dort wartenden beiden Mitstreitern Richtung Bildungseinrichtung aufbricht.
Ich hetze die drei Stockwerke ohne Fahrstuhl mit meinem 13 kg schweren Bündel unter dem Arm nach oben, schäle es wieder aus der Jacke, wofür dieses leider gar kein Verständnis aufbringen kann, wickele in Windeseile, ziehe wieder an, und hoffe, dass wir 10 Minuten vor 8 den Weg zur Kita, das Ausziehen in der Garderobe und eine friedliche Verabschiedung schaffen.
Um 8.10 Uhr – eine logistische Meisterleitung, wie ich finde, vor allem bei dem Verkehrsaufkommen – teilt mir die Kitaleitung auf Nachfrage mit, dass unsere Erzieherin heute leider krank ist, und das Gespräch daher nicht stattfinden kann. Mein anderer Anschlusstermin um 10.30 Uhr wird ebenfalls wegen Krankheit spontan abgesagt, und nun stehe ich um 8.15 Uhr da und weiß irgendwie überhaupt nicht, was ich mit der unverhofften Leerlaufzeit anfangen soll. Mein ganzer Plan ist völlig durcheinander gewirbelt. Meine für heute zurechtgelegte Effizienz ist dahin. Schnell schießen mir Gedanken durch den Kopf, dass ich ja jetzt endlich die Steuererklärung fertig machen kann/ müsste. Panisch versuche ich Pläne zu machen, wie ich die Zeit sonst möglichst sinnvoll nutzen könnte – bis es mir zu anstrengend wird. Da ich eh keinen Parkplatz finde, parke ich weit weg von daheim, gehe zu Starbucks, der auf dem Weg liegt, und lasse mich von unaufdringlicher Hintergrundmusik wohlig einlullen mit meinem wärmenden Heißgetränk in der Hand, und meinem Buch auf dem Schoß.
Und die Moral von der Geschicht´?
Es ist immer gut, ein Buch dabei zu haben, und einem geschenkten Zeitfenster sollte man nicht ins Maul schauen und/ oder mit noch mehr Pflichten begegnen, sondern es genießen.
Eure VME
Was macht Ihr mit kleinen; unverhofften Zeitgeschenken? Wofür würdet Ihr sie am liebsten nutzen?