Totensonntag

Totensonntag hat die Farbe von Weinbrand und riecht nach Kölnisch Wasser 4711. Er ist mit großgemusterten Blumentapeten in allerlei Brauntönen tapeziert, deren Übergänge meist nicht ganz akkurat genau getroffen sind. Am Ewigkeitssonntag weht mir eine Erinnerung von Schinkenfleckerl, Dotsch mit Leber- und Blutwurst und Sauerkraut um die Nase. Totensonntag fühlt sich an, wie ein heißes Fußbad im Putzeimer nach einer langen Wanderung in Tirschen- oder Rupprechtsreuth. Er hüllt mich in Hormocenta und schmeckt nach Schwarzwälderkirschtorte und sanftem Engel. Von unten aus meinem Musikbewusstsein höre ich  Glenn Millers „In the Mood“ anschwellend heraufsteigen. Die 12 Takte zähle ich automatisch mit und erinnere mich daran, dass es Geduld und Timing braucht, um im richtigen Moment laut auszuholen, obwohl ich nie selbst Schlagzeug gespielt habe.

Totensonntag lässt mich gewahr werden, dass ich schon immer geliebt wurde und wie aus mir der Mensch werden konnte, der ich heute bin. Er erinnert mich daran, woher meiner Vorliebe für expressionistische Malerei, aber auch die schon fast zwanghafte Affinität für die Unbegreiflichkeiten des dritten Reichs kommt, meine Intelligenz, mein Humor und meine Wunden. Er erzählt von Freitagstelefonaten, Kultururlaubreisegruppen, Diskussionen und Kirwakuchen.

Ich bin erfüllt von Dankbarkeit, süßem Schmerz und Versöhnung –

und zünde in der Dunkelheit drei Kerzen an.

R.I.P

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